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Kampfkunst

Sommerspaziergang
Sommerspaziergang

Gedanken zur Kampfkunst

Kampf ist nicht Krieg

Vor zwei Tagen habe ich mit meiner Freundin Swantje gesprochen. Während ich Tai Chi Chuan für eine Kampfkunst halte und nicht nur für einen Bereich der TCM, ist es für sie einzig eine tragende Säule der TCM, genau wie für G. eine Kollegin, die Qi Gong unterrichtet. 

Vielleicht liegt es an der Sprache. Für mich ist Kampf etwas anderes als Krieg. Während Krieg zerstört, um eine Gier zu befriedigen, ist Kampf eine Auseinandersetzung mit anderen Energien, denen der Umgebung oder auch mit den eigenen. Das kann zu Heilungsprozessen führen. Ob es die innere Einsicht ist, dass alles zusammenhängt, das betrachten eigener Dummheiten oder die Entwicklung von Mitgefühl für die, die Krieg gegen sich selbst führen, gegen andere Menschen und auch gegen unseren Planeten.

Es ist aber auch die Auseinandersetzung mit den eigenen negativen Emotionen, für die man erst einmal bereit sein muss; man muss sie betrachten, wahrnehmen und dann…..verwandeln. So kann man sich selbst hin zu einer Transformation führen. Das geht im Guten – hin zu Schmerzlosigkeit (wahres Glück als Abwesenheit von Schmerz) – wie auch im nicht so Guten. Wir Menschen sind keine statische Masse, wir befinden sich in einem Prozess der steten Verwandlung. Dieser Prozess ist nicht nur das oft propagierte lebenslange Lernen von Skills, die dazu beitragen sollen Bewerbungsmappen erfolgreich und Beförderungen realisierbar werden zu lassen. Jeden Augenblick sterben Zellen in unserem Körper, werden Zellen geboren; jeden Augenblick atmen wir, blicken wir in das Sein, haben Gedanken, betrachten unsere Welt in verschiedener Perspektive. Wer ist mit 30 Jahren noch der gleiche Mensch wie mit 15 Jahren? In solchen, größeren Zeitabständen kann das einfacher und mit Abstand betrachtet werden, aber – der Wandel passiert ununterbrochen – ein sich stets wandelndes, sich selbst reflektierendes in der Welt Sein.

Tai Chi, das Kämpfen mit leerer Hand, verhilft zu der Erfahrung der Absichtslosigkeit in der Bewegung. Die Leere der leeren Hand ist gefüllt mit Energie des Nicht-Anhaftens. Eine Energie die da ist, die man aber weder festhalten noch ihr folgen kann. Erst wenn man sich in der Form so bewegt, dass das Chi fließt, dass es durch einen fließt und man nicht spüren kann, ob die Form von einem ausgeführt wird oder die Energie die Form so füllt, dass sie es ist, die die Form formt und dadurch den Körper bewegt, hat man einen kleinen Eindruck davon was es heißt: das Kämpfen mit der leeren Hand. Es ist Hingabe und Kraft zugleich. Nur wenn man weder die Hingabe noch die Kraft betrachtet, wenn man seinen Fokus aufgibt oder vielleicht eher: wenn man auf dem nicht vorhandenen Kamm der Welle surft, erlebt man wie durch diese kostbaren Momente die eigene Metamorphose stattfindet.

Das nenne ich Kampfkunst.

TAI CHI GEDANKEN  ·  01. Oktober 2019